12. August 2019

Extreme Akustik im Schiessstand

Extreme Akustik im Schiessstand

Stellen Sie sich folgende Krimi-Situation vor: Zwei Polizisten verfolgen einen Kriminellen in ein Industriegebiet mit hohen Betonwänden und Säulen. Alle Beteiligten haben ihre Waffen gezückt und schiessen, sobald der Widersacher aus seiner Deckung kommt. Das Gute obsiegt schliesslich und der Kriminelle wird zur Strecke gebracht; die Polizisten dürfen sich auf die Schulter klopfen.

Was ist falsch an dieser Szene? Hätte sie sich so zugetragen, würden alle Beteiligten temporär taub sein und durch das entstandene Explosionstrauma eventuell bleibende Hörschäden davontragen.

Als Messgeräte-Hersteller haben wir uns gefragt, wie laut denn der Schiesslärm tatsächlich ist und uns mit einem Indoor Schiessstand in Verbindung gesetzt.

Die RMS Shooting Anstalt in Schaan, Liechtenstein betreibt eine der modernsten Schiessanlagen mit eigenem Restaurantbetrieb im Dreiländereck Deutschland, Österreich, Schweiz. Neben Sport- & Profischützen nutzen auch Sicherheitskräfte die Anlage für professionelle Trainings.

Geschäftsinhaber Carmelo Pasquale Accardi entwarf die moderne High-Tech-Schiessanlage in Kombination mit einem öffentlichen Restaurant. Der Indoor-Schiesstand befindet sich mitten im Industriegebiet von Schaan, umgeben von einer Vielzahl von weiteren Unternehmen. Eine extrem gute Schallisolation und eine mächtige Belüftung sind neben den topmodernen technischen Anlagen die Kernpunkte des Schiessstands. Die elektronische Anlage ermöglicht dynamische Trainingseinheiten für stehende und bewegte Ziele. Herr Accardi ist auch der Ansprechpartner vor Ort, der für die Sicherheit und Ausführung am Schiessstand zeichnet und den kompletten Betrieb leitet. Das RMS Shooting Konzept wurde durch Horst Marxer, als Erweiterung zur RMS Sicherheits-Anstalt in Schaan realisiert.


RMS Schiessanalge
Moderne Indoor-Schiessanalge mit 8 Bahnen auf 25m

Nachdem wir einen exklusiven Zugang zum Schiesstand erhalten hatten, wollten wir neben dem Schiesslärm auch die Raumakustik des Standes vermessen, um einen Eindruck zu erhalten, welche Anforderungen an einen modernen Schiessstand gestellt werden. Lange Nachhallzeiten sind wegen der möglichen hohen Schusskadenz eher unerwünscht.

Messen ohne Schiesslärm
Wie hoch ist die ideale Nachhallzeit in einem Schiessraum? Der Lärmpegel ist nicht nur während des Schiessbetriebs hoch. Auch die starke Belüftungsanlage übt einen spürbaren Einfluss auf die Akustik aus. Wir haben daher den Raum vor der Inbetriebnahme ausgemessen, um die zwei Werte des Grundlärms zu eruieren. Wie hoch ist dieser mit eingeschalteter Belüftung und ohne?

Die Nachhallzeit des Raumes wurde mit dem Dodekaeder DS3 gemessen. Dafür wurde der DS3 mittig im Raum, also zwischen der Schiessposition und dem Ziel platziert, um eine möglichst gleichmässige Lärmausbreitung im Raum zu erhalten. Der Ruhepegel des Raumes mit ausgeschalteter Lüftung liegt bei 54.1 dB. Gemessen wurde mit dem Schallpegelmesser XL2 in einem Abstand von vier Metern zum DS3-Lautsprecher. Der verwendete Dodekaeder DS3 liefert eine Schallleistung von 121 dB ref 1 pW.


Der Dodekaeder Lautsprecher DS3 im Raum
Der Dodekaeder Lautsprecher DS3 im Raum

Wir wollten auch herausfinden, ob denn die Strömungsgeräusche der Lüftungsanlage einen Einfluss auf Spitzenpegel oder die Nachhallzeit hat. Aus diesem Grund haben wir alle Messungen mit und ohne Lüftung durchgeführt.


Nachhallzeit ohne (rot) und mit (rosa) Lüftung
Nachhallzeit ohne (rot) und mit (rosa) Lüftung

Bei der Messung mit dem Dodekaeder war die Messung der Nachhallzeit bei ausgeschalteter Lüftung absolut unproblematisch. Sobald aber die Lüftung lief, konnte bei einem Umgebungsgeräusch von über 80 dB nicht mehr genügend Energie in allen Bändern abgegeben werden. Dadurch sank die Messgenauigkeit entsprechend.

Wie Laut ist nun der Schiesslärm?
Um Übersteuerungen des Meßgerätes zu vermeiden, wurde das Mikrofon für die Pegelmessung 30 Grad vor dem Schützen in 2,5 m Entfernung aufgestellt.

Dies war die nahest möglichen Mess-Position, die zu nicht-übersteuerten Spitzenpegeln von 154.1 dB führte. Rechnet man diesen Pegel auf eine Distanz von 0.7 m (Ohr – Pistole) zurück, erreicht der Spitzenpegel am Ohr 165.2 dB. Bei diesen Pegel würde das Gehör ohne ausreichenden Schutz durch das Explosionstrauma mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft geschädigt.


Pegelmessung im Abstand von 2.5m
Pegelmessung im Abstand von 2.5m


Serie von 6 Schuss mit LCpkMax (blau), LCIMax (rot) und LAFMax (grün) im Abstand von 2.5m
Serie von 6 Schuss mit LCpkMax (blau), LCIMax (rot) und LAFMax (grün) im Abstand von 2.5m

Die gleiche Schusssequenz wurde mit einem zweiten Gerät in einer Distanz von 8.5 m aufgezeichnet. An dieser Position betrug der Spitzenpegel LCpkMax immer noch 143.8 dB.


Sdie gleiche Schusssequenz in einem Anstand von 8 m.
Die gleiche Schusssequenz in einem Anstand von 8 m.

Wir waren uns im Klaren, dass man für eine normgerechte Messung von sehr kurzen Impulsen idealerweise mit einer höheren Abtastrate von 192 kHz messen sollte. Dennoch reichte in dieser Messanwendung die vorhandene Abtastrate von 48 kHz des XL2 aus, da der weitaus grösste Anteil der akustischen Energie des Schiesslärms im mittleren Frequenzbereich konzentriert ist, was zu einer hohen Wiederholgenauigkeit der Messergebnisse führt.

Wenn wir nun diese Mess-Situation auf unsere Krimiszene umlegen, so wird der Gehörschaden bei allen Beteiligten mit hoher Wahrscheinlichkeit schon nach dem ersten Schuss auftreten, unabhängig davon, welcher Protagonist diesen abgegeben hat.

Wie für das Experiment geplant, wurde untersucht, ob sich die Spitzenpegel mit eingeschalteter Lüftung verändert. Man sieht in der Grafik sehr schön, wie der Hintergrundpegel durch die Lüftung ansteigt. Die Spitzenpegel der Schussabgaben werden aber nicht beeinflusst.


Schuss-Sequenz ohne / mit / ohne Lüftung
Schuss-Sequenz ohne / mit / ohne Lüftung

Geschulte Schützen wissen, dass im Schiessraum zwingend ein Gehörschutz getragen werden muss. Die Dämpfung eines guten Gehörschutzes erreicht bei mittleren bis hohen Frequenzen 35-40 dB, während tiefere Frequenzen unter 500 Hz nur noch mit 15-20 dB gedämpft werden.

Die Hauptenergie des Knalls liegt bei Frequenzen von 1 kHz und höher. Geht man hier von einer realistischen Dämpfung von 35 dB aus, so erreichen immer noch Spitzenpegel von knapp 130 dB das Ohr des Schützen. Empfindlichen oder zeitlich stark exponierten Personen empfiehlt sich deshalb, den Gehörschutz zusätzlich mit einem Stöpsel oder einer Otoplastik zu kombinieren.

Im Raum unmittelbar neben dem Schiessstand befindet sich ein öffentliches Restaurant. Es war deshalb auch interessant zu wissen, wie gut die Schallisolation des Schiesslärms nach draussen ist.


Schiesspuls gemessen im Schiessraum (Links), Vorraum (Mitte) und Restaurant (rechts)
Schiesspuls gemessen im Schiessraum (Links), Vorraum (Mitte) und Restaurant (rechts)

Auf der Basis des Kurzzeit-Leq dämpft die Türe zum Vorraum 44 dB, und der Restaurantbereich hört den Schiesslärm um 80 dB gedämpft. Mit einem Spitzen-Pegel von 65 dB ist er bei abgeschalteter Hintergrundmusik und mit ausgeschalteter Lüftung gerade noch hörbar. Man darf an dieser Stelle also konstatieren, dass die Schallisolation hervorragend wirkt.

Perfektes raumakustisches Klima
Die gemessenen Nachhallzeiten und Isolationswerte bestätigen, was das Auge im Raum aufnimmt- die Akustik ist genau so angenehm und funktional, wie der Schiesstand selber. Generell gibt es für Schiessstände keine ideale Kennzahl. „Bereits bei der Planung haben wir die Einrichtung sowie das Material so ausgewählt, dass nicht nur perfekte Bedingungen für ein gutes Schiesserlebnis geschaffen werden, sondern auch ein möglichst angenehmes Klima im Raum erzeugt wird“, erklärt Pasquale Carmelo Accardi, Gechäftsführer der RMS Shooting Anstalt und Verantwortlich für die Sicherheit und das Training während des Betriebs. „Es ist mir sehr wichtig, dass unsere Kunden das bestmögliche und individuell angepasste Training bei uns absolvieren können. Das geht aber nur, wenn sie sich sicher und vor allem wohl fühlen.“

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Kategorien: Raumakustik & Bauakustik

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