Sprachverständlichkeit STI

Die Verständlichkeit einer (Notfall-) Durchsage in einem öffentlichen Raum kann für die Anwesenden von entscheidender Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere für Bahnhöfe und Flughäfen, Kongress- und Einkaufszentren, Stadien, Hörsäle und Klassenzimmer etc.

Um eine gute Sprachverständlichkeit sicherzustellen, ist daher ein objektives Messverfahren notwendig, das relevante und reproduzierbare Resultate liefert. Die Antwort darauf liegt in der Messung des Sprachübertragungsindex STI (Englisch «Speech Transmission Index»).

Wie funktioniert die Messung der Sprachverständlichkeit STI?

Wenn man Spracheakustisch analysiert fällt auf, dass sich menschliche Stimmlaute durch zwei Charakteristika auszeichnen:

  1. sie liegen im Frequenzbereich von ca. 100 Hz bis 10 kHz
  2. sie beinhalten langsame Modulation (zwischen 0.63 und 12.5 Hz) ihrer Intensitäten

Mit anderen Worten erfolgt die Informationsübertragung einer Sprache dadurch, dass die sprechende Person das von ihr erzeugte Schallsignal moduliert. Wenn aber diese Modulationen bei der Übertragung (teilweise) verlorengehen, so leidet darunter die Verständlichkeit.

Langzeit Sprachspektrum

Ausschlaggebend für eine gute Sprachverständlichkeit ist, wie gut Modulationen des gesendeten Sprachsignals erhalten bleiben. Die STIPA-Methode basiert auf der Messung der Modulations-Transfer-Funktion MTF. Die einzelnen MTF-Resultate der Oktavbänder geben an, wie gut die Modulationen in verschiedenen Frequenzbändern erhalten blieben. In jedem Oktavband werden die Modulationsverhältnisse mr1 und mr2 (für jede der beiden Modulationsfrequenzen) getestet.

Das STI-Messverfahren macht sich diese Tatsache zunutze, indem es ein synthetisches Sprachsignal aussendet, empfängt und analysiert. Das Prüfsignal selbst basiert auf Rosa Rauschen, das in sieben Oktavbändern mit 14 verschiedenen Frequenzen moduliert wird.

Aus den 14 Modulationsfrequenzen und den sieben Oktavbändern ergeben sich 98 Kombinationen.

Beispiele des 1 kHz Oktavband Signals mit verschiedenen Modulationen

Der Ansatz, alle 98 Kombinationen zu messen ist recht komplex und schlecht in portablen Geräten umzusetzen. Deshalb wird er in der Praxis eher seltener angewendet. Diese vollständige STI-Methode stellt jedoch die detaillierteste Lösung zur Messung der Erhaltung der Sprachverständlichkeit dar und wird immer dann eingesetzt, wenn alternative Ansätze aufgrund ungünstiger Umgebungsbedingungen keine zuverlässigen Ergebnisse liefern.

In der Praxis kommt meistens das STIPA Verfahren (Englisch «Speech Transmission Index for Public Address») zum Einsatz. Es beschränkt sich auf 14 dieser Kombinationen und wurde speziell für portable Geräte entwickelt bei annähernd gleicher Aussagekraft des Ergebnisses steht das Ergebnis in 15 Sekunden zur Verfügung.

Unter der Annahme, dass keine lauten, impulshaltigen Umgebungsgeräusche vorhanden sind und keine starken nichtlinearen Verzerrungen auftreten, liefert die STIPA-Methode Ergebnisse mit vergleichbarer Genauigkeit wie die vollständige STI-Methode. Sollten jedoch während der normalen Betriebszeiten impulsive Umgebungsgeräusche präsent sein, erfolgt die Messung typischerweise zu einem günstigeren Zeitpunkt, z.B. während der Nacht.

Am Messort ermittelt das Messgerät den Frequenzgang, und in welchem Ausmass die übertragenen Modulationen verändert wurden. Daraus errechnet sich mit Hilfe eines psychoakustischen Models das normierte STI Resultat. Ein Wert von STI = 1 steht dabei für perfekte Verständlichkeit, während STI = 0 bedeutet, dass der Informationsgehalt komplett verlorengegangen ist.

 

STI-Wert Qualitätseinstufung nach IEC 60268-16
0 ... 0.3 schlecht
0.3 ... 0.45 schwach
0.45 ... 0.6 angemessen
0.6 ... 0.75 gut
0.75 ... 1 ausgezeichnet

Alternativ lässt sich das Ergebnis auch als CIS Wert anzeigen (Englisch «Common Intelligibility Scale»), der sich wie folgt berechnet: CIS = 1 + log(STI).

Herausforderungen

Externe, impulshaltige Geräusche, die während einer STI-Messung präsent sind, überlagern das Prüfsignal und verfälschen so das Resultat. Daher sollte die STI-Messung stets in einer möglichst leisen Umgebung – d.h. ohne Störgeräusche wie z.B. Maschinen-/Personenlärm – erfolgen.

Der Einfluss der Störgeräusche wird dann in das gemessene STI-Ergebnis eingerechnet:

  1. Bestimmung des typischen Hintergrundlärms im bevölkerten Raum.
  2. STI-Messung im leeren Raum (z.B. in der Nacht).
  3. Verknüpfung der beiden Resultate zum Endergebnis.

Wie läuft eine STIPA-Messung ab?

Hintergrund-Lärmpegel ermitteln

Die Messung des Hintergrund-Lärmpegels erfolgt unter typischen Bedingungen, d.h. in Anwesenheit von Publikum. Dabei wird der LAeq in Oktavauflösung für 30 Sekunden (oder mehr) aufgenommen und abgespeichert. Sollte ausgerechnet während dieser Aufzeichnung ein untypisches, lautes Geräusch auftreten, dann ist die Messung zu wiederholen.

STI-Messung

Die STI-Messung selbst findet meistens im leeren Raum statt, d.h. in Abwesenheit von Publikum (z.B. während der Nacht).

Hinweis: an bestimmten Orten – z.B. einem kleineren Bahnhof inmitten einer Wohngegend – lassen sich unter Umständen nachts keine STI-Messungen durchführen, da sonst die Anwohner in ihrer Ruhe gestört würden. In solchen Fällen erfolgt die STI-Messung tagsüber, d.h. im normalen Betriebszustand, während auf eine nachträgliche Korrektur des STI-Ergebnisses mit einem vorher aufgezeichnetem Hintergrund-Lärmpegel verzichtet wird.

Für die Wiedergabe des STI-Prüfsignals gibt es zwei Alternativen.

  1. Elektronische Einspeisung in die Beschallungsanlage, z.B. mit Hilfe des Signalgenerators MR-PRO

(Hinweis: CD- oder MP3-Player sind weniger gut geeignet, da sie Schwankungen der Abtastrate aufweisen bzw. das Prüfsignal durch Kompression verändern können, was wiederum das Messergebnis negativ beeinflusst).

  1. Akustisch über einen entzerrten Lautsprecher (z.B. NTi Audio TalkBox), der das Prüfsignal mit einem kalibrierten Schallpegel von 60 dB – d.h. dem typischen Pegel eines menschlichen Sprechers – in 1 m Distanz wiedergibt. Diese Lösung kommt überall dort zum Einsatz, wo die Ansagen im Bedarfsfall über ein Mikrofon eingespeist werden, oder an solchen Orten, an denen das Sprachsignal nicht elektroakustisch verstärkt wird, wie z.B. in Klassenzimmern.

Als nächstes ist bei Vorhandensein einer Sprachalarmanlage deren Lautstärke im Publikumsbereich anzupassen. Diese sollte mindestens 6 dB, besser aber 10-18 dB über dem üblichen Hintergrund-Lärmpegel liegen. Dabei gilt es zu beachten, dass bei einem Durchsage-Pegel von über 80 dB die Sprachverständlichkeit aufgrund von Maskierungseffekten wieder abnimmt.

Die STI-Messungen finden schliesslich an mehreren Positionen statt, nämlich überall dort, wo sich üblicherweise Personen aufhalten. Ausserdem müssen die Messpunkte in relevantem Abstand zueinander liegen, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten. Die einzelnen STI-Messungen dauern 15 Sek. pro Position und werden am Ende zu einem einzigen Ergebnis für den gesamten Raum gemittelt.

Überprüfung der Messergebnisse

Die erhaltenen Einzelresultate müssen auf Ihre Plausibilität hin überprüft werden. Dies dient zur Erkennung von ungültigen Messungen, z.B. aufgrund von impulsiven Umgebungsgeräuschen. Konkret können folgende Fehler auftreten:

  • Ungültige Modulationsverhältnisse in den einzelnen Oktavbändern (mr1 oder mr2 > 1,3)
  • Schwankende Pegelverhältnisse oder impulsiven Bedingungen während der Messung (Detektion durch einen Vergleich der ersten Hälfte der Messperiode mit der zweiten)

Hinweis: fortschrittliche Akustik-Analysatoren wie der XL2 führen diese Analyse selbständig aus und zeigen das Ergebnis automatisch an.

Nachbewertung der Messergebnisse

Der nächste Schritt besteht darin, die gemessenen STI-Ergebnisse mit dem Spektrum des üblichen Hintergrund-Lärms zu verrechnen. Für diese Prozedur stehen drei Verfahren zur Verfügung:

  1. Die direkte Messung der Sprachverständlichkeit STI im Normalbetrieb, d.h. in der Gegenwart von Publikum (vgl. Hinweis im o.g. Abschnitt «STI-Messung»).
  2. Die getrennte Messung des typischen Umgebungslärms sowie der Sprachverständlichkeit im leeren Raum, und deren rechnerische Verknüpfung zwecks Ermittlung des zutreffenden STI-Wertes.
  3. Die Verrechnung des in Abwesenheit von Publikum gemessenen STI-Wertes mit einem passenden Satz von vordefinierten Umgebungslärm-Daten (z.B. gemäss Richtlinie des Österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes, TRVB S 1458).

Hinweis: fortschrittliche Akustik-Analysatoren wie der XL2 unterstützen jede dieser drei Methoden und berechnen bzw. zeigen das Ergebnis automatisch an.

Mittelung

Der IEC 60268-16 Standard empfiehlt, bei vorhandenen Hintergrundgeräuschen an jedem Messpunkt mindestens drei Messwerte zu mitteln, wobei die Abweichung zwischen diesen drei Ergebnissen nicht grösser als 0.03 STI sein darf. Auf der anderen Seite fordert der Deutsche VDE Standard VDE 0833-4, im Minimum drei Messwerte zu mitteln, falls der erste STI Wert < 0,63 ist.

Hinweis: fortschrittliche Akustik-Analysatoren wie der XL2 können diese Berechnung selbständig direkt ausführen und die Ergebnisse anzeigen.

Besondere Aspekte

In Notfällen tendieren Menschen dazu, ihre Stimme zu heben und lauter zu sprechen. Dieses Verhalten nennt man den Lombard-Effekt. Um diese Situation abzudecken, kann man bei der akustischen Einspeisung des STI-Prüfsignals selbiges auch mit einem um 10 dB höheren Pegel abspielen. Die TalkBox unterstützt diese Sonderanwendung standardmässig.

Normkonformer Bericht

Der letzte Schritt einer vollständigen Sprachverständlichkeits-Analyse betrifft die Erstellung eines normkonformen Berichtes. Diese Tätigkeit muss die zutreffende Norm berücksichtigen, wie z.B.

  • AS 1670.4
  • CEN/TS 54-32:2015
  • DIN EN 50849:2017
  • IEC 60268-16
  • ISO 7240-19:2007
  • VDE V 0833-4-32:2016
  • VDE 0828-1:2017-11

Hinweis: das kostenlose STI Reporting Tool von NTi Audio vereint die o.g. Anforderungen, und liefert nach dem Import der XL2-Messdaten einen normkonformen Bericht.

STIPA Reporting Tool

Massnahmen zur Verbesserung einer ungenügenden Sprachverständlichkeit

Sprachalarmanlage

Mögliche Gründe, die zu einer schlechten Sprachverständlichkeit führen, sind Mängel in der Sprachalarmanlage wie z.B. Verzerrungen, defekte Komponenten oder schlecht abgestimmte Laufzeiten zu den Lautsprechern. Um die zu entdecken, müssen die Kenndaten der Anlage überprüft und Fehler identifiziert werden. Dazu benötigt man einen geeigneten Signalgenerator und ein Messgerät für die notwendigen elektrischen und akustischen Tests. Hierzu bieten sich der MR-PRO und der XL2 an, mit denen sich sämtliche relevanten Prüfungen schnell und zielgerichtet durchführen lassen.

Andererseits kann auch eine ungünstige Auslegung der Sprachalarmanlage zu schlechten STI-Werten beitragen. Als Beispiel sei hier die Installation von zu wenigen Lautsprechern im Raum genannt, was zu einem inhomogenen Schallfeld mit akustischen ‚Löchern‘ führen könnte. In so einem Fall müssen die Lautsprecher entsprechend lauter betrieben werden, was wiederum dazu führen kann, dass einige Bereiche ‚zu laut‘ werden. Generell gesagt empfiehlt es sich daher, eher mehrere, gleichmässig verteilte Lautsprecher im Raum zu installieren.

Raumakustik

Einen weiteren, wichtigen Einfluss auf die Sprachverständlichkeit übt die Raumakustik aus. Hierbei ist primär entscheidend, ob der Direktschall zum Zuhörer dominant ist gegenüber eventuell auftretenden Schallreflexionen. Solange dies der Fall ist, sind (wahrscheinlich) keine weiteren Massnahmen notwendig. Andernfalls, d.h. insbesondere beim Auftreten von sehr starkem Nachhall, kann die Sprachverständlichkeit beeinträchtigt werden. Als Gegenmassnahme empfiehlt sich dann die Installation schallabsorbierender Objekte wie z.B. Vorhänge, Teppiche, Polstermöbel oder spezielle Paneele.

Umgebungslärm

Falls laute Umgebungsgeräusche von aussen einwirken, verschlechtert sich unter Umständen die Sprachverständlichkeit im Innenraum. Dies kann immer dann passieren, wenn die Lokalität nur unzureichend gegen nahegelegene Lärmquellen abgeschirmt ist.

In solchen Fällen hilft für gewöhnlich die Installation von besseren Fenstern, Lärmschutzwänden oder ähnlich gearteten Massnahmen, welche den Publikumsbereich von der externen Lärmquelle entkoppeln.